Olga Pastekova: THE WORLD IN BETWEEN
kuratorin: Maria Christine Holter
Galerie Michael Bella Wien (AT)
17.3.- 29.4.2022
Submerged amusement parks, headless mermaids and animals roaming in this dystopian landscape are part of Olga Pastekova's pictorial creations. Fascinated and at the same time critically perceived remnants of the capitalist leisure industry, which the young Slovak artist works for in real fun parks that have been abandoned or have been devastated by natural disasters, such as the “Spreepark” in Berlin or the “Six Flags” park in New Orleans, the victim of Hurricane Katrina discovered himself. In Pastekova's comic-like panels - mixed techniques of acrylic glaze painting, woodworking through engraving and fire painting - fauna and flora reconquer the former places of heightened artificiality. The exhibition title "The World In Between" refers to this intermediate state, to the unstoppable process when man leaves the places he has created to themselves and thus to nature.
Olga Pastekova - THE WORLD IN BETWEEN
Olga Pastekovas Reflexionen über sogenannte „abandoned spaces“ – in ihrem Fall aufgelassene Vergnügungsparks – nicht nur von den Sujets her fesselnd, sondern auch durch die Wahl ungewöhnlicher Formate und der meisterhaft verwendeten Mischtechnik, auf die wir noch zu sprechen kommen werden. In Pastekovas comicartig zugeschnittenen Panelen – Acryllasurmalerei, Holzbearbeitung durch Gravur und Feuermalerei – erobern Fauna und Flora die einstigen Orte übersteigerter Künstlich- und Fröhlichkeit zurück. Der Ausstellungstitel „The World In Between“ verweist auf einen Zwischenzustand, auf den unaufhaltsamen Prozess, wenn der Mensch von ihm geschaffene Orte sich selbst und damit der Natur überlässt. Warum gerade menschenleere Vergnügungsparks? Es sind fasziniert, aber zugleich kritisch wahrgenommene Überbleibsel der kapitalistischen Freizeitindustrie, die die junge slowakische Künstlerin für sich entdeckt hat; und zwar durch tatsächliche Besuche in verlassenen Funparks, wie den „Spreepark“ von Berlin bei einer Residency in Berlin 2016, oder digital recherchierte, von Katastrophen heimgesuchte, wie den Park „Six Flags“ in New Orleans, einem Opfer des Hurricanes Katrina sowie den Vergnügungspark in der Nähe des verunfallten ukrainischen Kernkraftwerks Tschernobyl – Bilder, die wir aus heutiger Perspektive besonders bedrückend erleben.
Wenn wir uns nun aber der von Pastekova inszenierten Zwischenwelt zuwenden, umgeben uns in den teils unter-Wasser-gesetzten Vergnügungsorten geköpfte Meerjungfrauen, desolate Clowns, von Geisterbahnfassaden gestürzte Gerippe, verwaiste Karusselle, Hochschaubahnen und Autodrome. Aber vor allem die in dieser düsteren Szenerie herumstreunende Tiere – Wölfe, Füchse oder herrenlose Hunde – sind zentraler Bestandteil von Olga Pastekovas Bildschöpfungen und zwar schon seit vielen Jahren. Die Wildtiere vertreten im Narrativ der einzelnen Bilder den Menschen als Zeugen des surrealen Aufeinandertreffens echter Lebewesen und artifizieller Geschöpfe, weil der Mensch als einstiger Nutznießer der Funparks diese ja schon längst verlassen hat. Besonders einprägsam finde ich beispielsweise das Zusammentreffen eines Wolfs mit einem scheinbar aus dem Dornröschenschlaf erwachten, galoppierenden Karussellpferdchen oder den stillen Dialog eines Hochschaubahnwagon-Schwans (so wie Pastekova ihn als Objekt in den Erdgeschoß-Showroom inkludiert hat) mit einem etwas pikiert dreinschauenden Wolf. Das Tier nimmt mit uns Betrachterinnen und Betrachter Augenkontakt auf, wie um uns mahnend zu vermitteln, dass bereits das apokalyptische Szenario eines posthumanen Zeitalters, das Ende des Anthropozäns, angebrochen ist.
Die desolaten Funparks stehen bei Pastekova offensichtilich für den Teil eines Ganzen, sind Metapher für ein sich immer schneller drehendes Karussell von Katastrophenmeldungen, vermittelt über die allgegenwärtigen Medien – sei es nun über die Pandemie, die Olga mitten in der Serie traf, die Folgen der Klimaerhitzung oder nun auch noch über diesen unmenschlichen Krieg, der uns alle lähmt und schwer betroffen macht.
Maria Christine Holter
(Auszug aus der Einführung zur Ausstellung in der Galerie Michael Bella am 16. März 2022)
Einführung von Maria Christine Holter, Galerie Michael Bella am 16. März 2022
Sehr geehrte Damen und Herrn, liebe Freund_innen der Galerie und der Künstlerin!
Danke Dir, lieber Michael, für die Einladung, mich mit dem Werk dieser phantastischen
Künstlerin zu befassen. Ich darf mir ja immer wieder Entdeckungen von Dir anschauen,
aber bei Olga Pastekova, war mein Urteil kaum von Nöten und die Entscheidung mit ihr
zusammenarbeiten zu wollen schnell getroffen. So danke ich auch Dir, liebe Olga, für die
gute Kooperation.
Olga Pastekova wurde in Bratislava geboren und erwarb dort auch ihre künstlerische
Ausbildung: zuerst an der Josef Vydra Schule für Angewandte Kunst, die oftmals als
„Bratislavas Bauhaus“ bezeichnet wird, anschließend an der Akademie für bildende
Künste und Design in Bratislava, wo sie zuerst ein Bachelorstudium, dann ein
Masterstudium in Kunst mit Schwerpunkt Malerei absolvierte und dieses 2009 mit einem
Master of Arts abschloss.
Ihre enge Verbindung zu Wien und Österreich besteht nicht zuletzt seit ihrem Gaststudium
bei Daniel Richter an der Akademie der bildenden Künste in Wien im Jahr 2009. Seither
waren ihre Werke hier unter anderem im Österreichischen Kulturforum in Bratislava, im
Künstlerhaus Wien und diversen Wiener Kunsträumen zu sehen. Zudem wurde Pastekova
2018 zu einer Residency im Kunstraum Villach eingeladen. Ihre Ausstellungstätigkeit
erstreckt sich mittlerweile auf viele Städte Europas und es ist schön, dass ihr Schaffen
heute hier mit einer Einzelausstellung gewürdigt wird.
Michael Bella inkludierte Pastekovas Arbeiten erstmals in seiner Gruppenausstellung
„Collection 21“, die Sie meine Damen und Herren, vielleicht besucht haben und Ihnen eine
raumgreifende Installation von tür- und fensterartig beschnittenen, paraventähnlich
aufgeklappten Gemälden auf Holzpanelen aus der Serie „Fragile Balance“ aufgefallen war,
die eine ausgesprochen dystopische Stimmung vermittelte und inhaltlich wie stilistisch das
fortsetzte, was schon die umfangreiche Serie IN WONDERLAND, beginnend im Jahr 2019
und bis heute andauernd, anklingen ließ, die im Zentrum dieser Ausstellung steht.
Wie ich schon im Pressetext schrieb, sind Olga Pastekovas Reflexionen über sogenannte
„abandoned spaces“ - in ihrem Fall aufgelassene Vergnügungsparks – nicht nur von den
Sujets her fesselnd, sondern auch durch die Wahl ungewöhnlicher Formate und der
meisterhaft verwendeten Mischtechnik, auf die wir noch zu sprechen kommen werden. In
Pastekovas comicartig zugeschnittenen Panelen – Mischtechniken aus Acryllasurmalerei,
Holzbearbeitung durch Gravur und Feuermalerei – erobern Fauna und Flora die einstigen
Orte übersteigerter Künstlich- und Fröhlichkeit zurück. Der Ausstellungstitel „The World In
Between“ verweist auf einen Zwischenzustand, auf den unaufhaltsamen Prozess, wenn
der Mensch von ihm geschaffene Orte sich selbst und damit der Natur überlässt.
Warum gerade menschenleere Vergnügungsparks? Es sind fasziniert, aber zugleich
kritisch wahrgenommene Überbleibsel der kapitalistischen Freizeitindustrie, die die junge
slowakische Künstlerin für sich entdeckt hat; und zwar durch tatsächliche Besuche in
verlassenen Funparks, wie den „Spreepark“ von Berlin bei einer Residency in Berlin 2016,
oder digital recherchierte, von Katastrophen heimgesuchte, wie den Park „Six Flags“ in
New Orleans, einem Opfer des Hurricanes Katrina sowie den Vergnügungspark in der
Nähe des verunfallten ukrainischen Kernkraftwerks Tschernobyl - Bilder, die wir aus
heutiger Perspektive besonders bedrückend erleben.
Letzterer ist auch Protagonist in der aktuellen Ausstellung Anna Jermolaewas im MAK, in
der sie mit am Gelände positionierten Wildtierkameras das Leben im radioaktiv
verseuchten Sperrgebiet live aufzeichnet. Anstatt von herumspazierenden Rehen,
Füchsen und Wölfen rollen dort aber nun die russischen Panzer an den Kameras vorbei
und dokumentieren so das Kriegsgeschehen.
Wenn wir uns nun aber wieder der von Pastekova inszenierten Zwischenwelt zuwenden,
umgeben uns in den teils unter-Wasser-gesetzten Vergnügungsorten geköpfte
Meerjungfrauen, desolate Clowns, von Geisterbahnfassaden gestürzte Gerippe, verwaiste
Karusselle, Hochschaubahnen und Autodrome. Aber vor allem die in dieser düsteren
Szenerie herumstreunende Tiere – Wölfe, Füchse oder herrenlose Hunde – sind zentraler
Bestandteil von Olga Pastekovas Bildschöpfungen und zwar schon seit vielen Jahren, wie
ich bei meiner Vorbereitung feststellen konnte.
Die Wildtiere vertreten im Narrativ der einzelnen Bilder den Menschen als Zeugen des
surrealen Aufeinandertreffens echter Lebewesen und artifizieller Geschöpfe, weil der
Mensch als einstiger Nutznießer der Funparks diese ja schon längst verlassen hat.
Besonders einprägsam finde ich z.B. das Zusammentreffen eines Wolfs mit einem
scheinbar aus dem Dornröschenschlaf erwachten, galoppierenden Karussellpferdchen
oder den stillen Dialog eines Hochschaubahnwagon-Schwans (so wie Pastekova ihn als
Objekt in den Erdgeschoß-Showroom inkludiert hat) mit einem etwas pikiert
dreinschauenden Wolf. Das Tier nimmt mit uns Betrachterinnen und Betrachter
Augenkontakt auf, wie um uns mahnend zu vermitteln, dass bereits das apokalyptische
Szenario eines posthumanen Zeitalters, das Ende des Anthropozäns, angebrochen ist.
Die desolaten Funparks stehen bei Pastekova offensichtilich für den Teil eines Ganzen,
sind Metapher für ein sich immer schneller drehendes Karussell von
Katastrophenmeldungen, vermittelt über die allgegenwärtigen Medien – sei es nun über
die Pandemie, die Olga mitten in der Serie traf, die Folgen der Klimaerhitzung oder nun
auch noch über diesen unmenschlichen Krieg, der uns alle lähmt und schwer betroffen
macht.
Artist Talk Maria Christine Holter mit Olga Pastekova:
Dystopie – besonderes Sensorium der KünstlerInnen
Absenz des Menschen – welche Rolle spielen Tiere in deiner Kunst?
Technik – Einfluss der Malerei Daniel Richters – andere Vorbilder ?
Formate – Sprechblasen? Explosionen? Fragmente einer zerfallenden Welt?
Feuermalerei Zeichnungen mit Zitronensaft
Krieg in der Ukraine:
Bild aus der Serie „In WONDERLAND“ mit dem Riesenrad aus Tschernobyl
Verkausreinerlös für „Nachbar in Not“
Maria Christine Holter, kuratorin
https://www.mariaholter.at/2022/03/04/olga-pastekova-the-world-in-between/
kuratorin: Maria Christine Holter
Galerie Michael Bella Wien (AT)
17.3.- 29.4.2022
Submerged amusement parks, headless mermaids and animals roaming in this dystopian landscape are part of Olga Pastekova's pictorial creations. Fascinated and at the same time critically perceived remnants of the capitalist leisure industry, which the young Slovak artist works for in real fun parks that have been abandoned or have been devastated by natural disasters, such as the “Spreepark” in Berlin or the “Six Flags” park in New Orleans, the victim of Hurricane Katrina discovered himself. In Pastekova's comic-like panels - mixed techniques of acrylic glaze painting, woodworking through engraving and fire painting - fauna and flora reconquer the former places of heightened artificiality. The exhibition title "The World In Between" refers to this intermediate state, to the unstoppable process when man leaves the places he has created to themselves and thus to nature.
Olga Pastekova - THE WORLD IN BETWEEN
Olga Pastekovas Reflexionen über sogenannte „abandoned spaces“ – in ihrem Fall aufgelassene Vergnügungsparks – nicht nur von den Sujets her fesselnd, sondern auch durch die Wahl ungewöhnlicher Formate und der meisterhaft verwendeten Mischtechnik, auf die wir noch zu sprechen kommen werden. In Pastekovas comicartig zugeschnittenen Panelen – Acryllasurmalerei, Holzbearbeitung durch Gravur und Feuermalerei – erobern Fauna und Flora die einstigen Orte übersteigerter Künstlich- und Fröhlichkeit zurück. Der Ausstellungstitel „The World In Between“ verweist auf einen Zwischenzustand, auf den unaufhaltsamen Prozess, wenn der Mensch von ihm geschaffene Orte sich selbst und damit der Natur überlässt. Warum gerade menschenleere Vergnügungsparks? Es sind fasziniert, aber zugleich kritisch wahrgenommene Überbleibsel der kapitalistischen Freizeitindustrie, die die junge slowakische Künstlerin für sich entdeckt hat; und zwar durch tatsächliche Besuche in verlassenen Funparks, wie den „Spreepark“ von Berlin bei einer Residency in Berlin 2016, oder digital recherchierte, von Katastrophen heimgesuchte, wie den Park „Six Flags“ in New Orleans, einem Opfer des Hurricanes Katrina sowie den Vergnügungspark in der Nähe des verunfallten ukrainischen Kernkraftwerks Tschernobyl – Bilder, die wir aus heutiger Perspektive besonders bedrückend erleben.
Wenn wir uns nun aber der von Pastekova inszenierten Zwischenwelt zuwenden, umgeben uns in den teils unter-Wasser-gesetzten Vergnügungsorten geköpfte Meerjungfrauen, desolate Clowns, von Geisterbahnfassaden gestürzte Gerippe, verwaiste Karusselle, Hochschaubahnen und Autodrome. Aber vor allem die in dieser düsteren Szenerie herumstreunende Tiere – Wölfe, Füchse oder herrenlose Hunde – sind zentraler Bestandteil von Olga Pastekovas Bildschöpfungen und zwar schon seit vielen Jahren. Die Wildtiere vertreten im Narrativ der einzelnen Bilder den Menschen als Zeugen des surrealen Aufeinandertreffens echter Lebewesen und artifizieller Geschöpfe, weil der Mensch als einstiger Nutznießer der Funparks diese ja schon längst verlassen hat. Besonders einprägsam finde ich beispielsweise das Zusammentreffen eines Wolfs mit einem scheinbar aus dem Dornröschenschlaf erwachten, galoppierenden Karussellpferdchen oder den stillen Dialog eines Hochschaubahnwagon-Schwans (so wie Pastekova ihn als Objekt in den Erdgeschoß-Showroom inkludiert hat) mit einem etwas pikiert dreinschauenden Wolf. Das Tier nimmt mit uns Betrachterinnen und Betrachter Augenkontakt auf, wie um uns mahnend zu vermitteln, dass bereits das apokalyptische Szenario eines posthumanen Zeitalters, das Ende des Anthropozäns, angebrochen ist.
Die desolaten Funparks stehen bei Pastekova offensichtilich für den Teil eines Ganzen, sind Metapher für ein sich immer schneller drehendes Karussell von Katastrophenmeldungen, vermittelt über die allgegenwärtigen Medien – sei es nun über die Pandemie, die Olga mitten in der Serie traf, die Folgen der Klimaerhitzung oder nun auch noch über diesen unmenschlichen Krieg, der uns alle lähmt und schwer betroffen macht.
Maria Christine Holter
(Auszug aus der Einführung zur Ausstellung in der Galerie Michael Bella am 16. März 2022)
Einführung von Maria Christine Holter, Galerie Michael Bella am 16. März 2022
Sehr geehrte Damen und Herrn, liebe Freund_innen der Galerie und der Künstlerin!
Danke Dir, lieber Michael, für die Einladung, mich mit dem Werk dieser phantastischen
Künstlerin zu befassen. Ich darf mir ja immer wieder Entdeckungen von Dir anschauen,
aber bei Olga Pastekova, war mein Urteil kaum von Nöten und die Entscheidung mit ihr
zusammenarbeiten zu wollen schnell getroffen. So danke ich auch Dir, liebe Olga, für die
gute Kooperation.
Olga Pastekova wurde in Bratislava geboren und erwarb dort auch ihre künstlerische
Ausbildung: zuerst an der Josef Vydra Schule für Angewandte Kunst, die oftmals als
„Bratislavas Bauhaus“ bezeichnet wird, anschließend an der Akademie für bildende
Künste und Design in Bratislava, wo sie zuerst ein Bachelorstudium, dann ein
Masterstudium in Kunst mit Schwerpunkt Malerei absolvierte und dieses 2009 mit einem
Master of Arts abschloss.
Ihre enge Verbindung zu Wien und Österreich besteht nicht zuletzt seit ihrem Gaststudium
bei Daniel Richter an der Akademie der bildenden Künste in Wien im Jahr 2009. Seither
waren ihre Werke hier unter anderem im Österreichischen Kulturforum in Bratislava, im
Künstlerhaus Wien und diversen Wiener Kunsträumen zu sehen. Zudem wurde Pastekova
2018 zu einer Residency im Kunstraum Villach eingeladen. Ihre Ausstellungstätigkeit
erstreckt sich mittlerweile auf viele Städte Europas und es ist schön, dass ihr Schaffen
heute hier mit einer Einzelausstellung gewürdigt wird.
Michael Bella inkludierte Pastekovas Arbeiten erstmals in seiner Gruppenausstellung
„Collection 21“, die Sie meine Damen und Herren, vielleicht besucht haben und Ihnen eine
raumgreifende Installation von tür- und fensterartig beschnittenen, paraventähnlich
aufgeklappten Gemälden auf Holzpanelen aus der Serie „Fragile Balance“ aufgefallen war,
die eine ausgesprochen dystopische Stimmung vermittelte und inhaltlich wie stilistisch das
fortsetzte, was schon die umfangreiche Serie IN WONDERLAND, beginnend im Jahr 2019
und bis heute andauernd, anklingen ließ, die im Zentrum dieser Ausstellung steht.
Wie ich schon im Pressetext schrieb, sind Olga Pastekovas Reflexionen über sogenannte
„abandoned spaces“ - in ihrem Fall aufgelassene Vergnügungsparks – nicht nur von den
Sujets her fesselnd, sondern auch durch die Wahl ungewöhnlicher Formate und der
meisterhaft verwendeten Mischtechnik, auf die wir noch zu sprechen kommen werden. In
Pastekovas comicartig zugeschnittenen Panelen – Mischtechniken aus Acryllasurmalerei,
Holzbearbeitung durch Gravur und Feuermalerei – erobern Fauna und Flora die einstigen
Orte übersteigerter Künstlich- und Fröhlichkeit zurück. Der Ausstellungstitel „The World In
Between“ verweist auf einen Zwischenzustand, auf den unaufhaltsamen Prozess, wenn
der Mensch von ihm geschaffene Orte sich selbst und damit der Natur überlässt.
Warum gerade menschenleere Vergnügungsparks? Es sind fasziniert, aber zugleich
kritisch wahrgenommene Überbleibsel der kapitalistischen Freizeitindustrie, die die junge
slowakische Künstlerin für sich entdeckt hat; und zwar durch tatsächliche Besuche in
verlassenen Funparks, wie den „Spreepark“ von Berlin bei einer Residency in Berlin 2016,
oder digital recherchierte, von Katastrophen heimgesuchte, wie den Park „Six Flags“ in
New Orleans, einem Opfer des Hurricanes Katrina sowie den Vergnügungspark in der
Nähe des verunfallten ukrainischen Kernkraftwerks Tschernobyl - Bilder, die wir aus
heutiger Perspektive besonders bedrückend erleben.
Letzterer ist auch Protagonist in der aktuellen Ausstellung Anna Jermolaewas im MAK, in
der sie mit am Gelände positionierten Wildtierkameras das Leben im radioaktiv
verseuchten Sperrgebiet live aufzeichnet. Anstatt von herumspazierenden Rehen,
Füchsen und Wölfen rollen dort aber nun die russischen Panzer an den Kameras vorbei
und dokumentieren so das Kriegsgeschehen.
Wenn wir uns nun aber wieder der von Pastekova inszenierten Zwischenwelt zuwenden,
umgeben uns in den teils unter-Wasser-gesetzten Vergnügungsorten geköpfte
Meerjungfrauen, desolate Clowns, von Geisterbahnfassaden gestürzte Gerippe, verwaiste
Karusselle, Hochschaubahnen und Autodrome. Aber vor allem die in dieser düsteren
Szenerie herumstreunende Tiere – Wölfe, Füchse oder herrenlose Hunde – sind zentraler
Bestandteil von Olga Pastekovas Bildschöpfungen und zwar schon seit vielen Jahren, wie
ich bei meiner Vorbereitung feststellen konnte.
Die Wildtiere vertreten im Narrativ der einzelnen Bilder den Menschen als Zeugen des
surrealen Aufeinandertreffens echter Lebewesen und artifizieller Geschöpfe, weil der
Mensch als einstiger Nutznießer der Funparks diese ja schon längst verlassen hat.
Besonders einprägsam finde ich z.B. das Zusammentreffen eines Wolfs mit einem
scheinbar aus dem Dornröschenschlaf erwachten, galoppierenden Karussellpferdchen
oder den stillen Dialog eines Hochschaubahnwagon-Schwans (so wie Pastekova ihn als
Objekt in den Erdgeschoß-Showroom inkludiert hat) mit einem etwas pikiert
dreinschauenden Wolf. Das Tier nimmt mit uns Betrachterinnen und Betrachter
Augenkontakt auf, wie um uns mahnend zu vermitteln, dass bereits das apokalyptische
Szenario eines posthumanen Zeitalters, das Ende des Anthropozäns, angebrochen ist.
Die desolaten Funparks stehen bei Pastekova offensichtilich für den Teil eines Ganzen,
sind Metapher für ein sich immer schneller drehendes Karussell von
Katastrophenmeldungen, vermittelt über die allgegenwärtigen Medien – sei es nun über
die Pandemie, die Olga mitten in der Serie traf, die Folgen der Klimaerhitzung oder nun
auch noch über diesen unmenschlichen Krieg, der uns alle lähmt und schwer betroffen
macht.
Artist Talk Maria Christine Holter mit Olga Pastekova:
Dystopie – besonderes Sensorium der KünstlerInnen
Absenz des Menschen – welche Rolle spielen Tiere in deiner Kunst?
Technik – Einfluss der Malerei Daniel Richters – andere Vorbilder ?
Formate – Sprechblasen? Explosionen? Fragmente einer zerfallenden Welt?
Feuermalerei Zeichnungen mit Zitronensaft
Krieg in der Ukraine:
Bild aus der Serie „In WONDERLAND“ mit dem Riesenrad aus Tschernobyl
Verkausreinerlös für „Nachbar in Not“
Maria Christine Holter, kuratorin
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